Ägypten - ein Geschenk des Nil

Ägypten schreibt der griechische Historiker Herodot im 5. Jahrhundert v. Chr. ist sozusagen ein Geschenk des Nil, dem man ohne zu Zögern noch hinzufügen könnte "und seines Volkes".

 

Die entscheidende Voraussetzung für die Entstehung Ägyptens war die geographische Lage am Nil. Der Nil entspringt in den Hochländern Ostafrikas und endet nach einer Strecke von ca. 6500 KM im Mittelmeer. Der Fluss bestimmte im alten Ägypten den Lebensrythmus des Volkes. Bevor im 20. Jahrhundert der Nil durch Dämme reguliert wurde, ließen die Monsunregen in Äthiopien den Fluss im Unterlauf anschwellen und von Juni - Oktober war das Land mit fruchtbarem schwarzen Schlamm überschwemmt, auf dem eine üppige Vegetation gedeihen konnte. Diese Fülle wurde von dem androgynen Gott "Hapi" verkörpert, der die Wiesen zum Lachen brachte, wenn die Ufer überschwemmt wurden. Der Nil besteht in Ägypten aus zwei Abschnitten, dem Tal und dem Delta, das der alten Teilung des Landes in Ober- (Land der Binse) und Unterägypten (Land der Biene) entspricht. Wenn es nicht gerade ein Jahr mit katastrophal starken oder schwachen Überschwemmungen gab, so konnten die Ägypter sicher sein, dass der Fluss für genügend Nahrung sorgen würde. Der Nil war gleichzeitig wichtigste Versorgungsquelle und Hauptverkehrsader Ägyptens. Der Nil floss in der Zeit der Überschwemmung von Norden nach Süden.

Flußkreuzfahrten auf dem Nil. Unterwegs zwischen Kairo und Abu Simbel
von Barbara Kreißl

Über das Produkt Dieser Reiseführer richtet sich speziell an Kreuzfahrtreisende und stellt Orte wie Luxor und Memphis, die Bauten im Tal der Könige, die Pyramiden von Gisa und die beeindruckende Metropole Kairo vor. Ausführliche Kapitel erläutern Geschichte und Gegenwart des Landes und geben praktische Tips für eine Reise durch Ägypten. mehr

 

Die Ägypter nannten ihr Land Kemet, "Schwarzes Land" und gemeint waren damit die fruchtbaren Flussufer, an die das "Rote Land" Deschret, die riesige öde Wüste angrenzt. Diese Welt existierte in einem Gleichgewicht genau ausgewogener Gegensätze: Kemet und Deschret, Tag und Nacht, Leben und Tod, Ordnung und Chaos. Die Ägypter waren der Ansicht, das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos im Universum könne nur von den Göttern und ihrem Stellvertreter auf Erden, dem König aufrechterhalten werden. Ursprünglich stellten diese Gottheiten die Natur dar - die Sonne, den Himmel, das Land und den Fluss. Mit der Zeit wurden die Mythen und Legenden immer mehr ausgeschmückt, so dass die Geschichten der einzelnen Götter immer komplexer wurden. So entstand ein hochentwickeltes Glaubenssystem, welches für das Alte Ägypten so charakteristisch war. In den für sie errichteten Tempeln manifestierte sich die Verehrung für die Götter in täglichen Ritualen. Die göttlichen Kräfte mussten ständig genährt werden, um die Kontinuität des kosmischen Gleichgewichts zu erhalten. Deshalb wurden sie in unzähligen Abbildungen verehrt - von den riesigen Tempelanlagen bis zu den kleinsten zierlichen Kunstwerken. Da die Tempel als Sitz der Göttlichen Kraft galten, wurde diese zum Wohle des ganzen Landes von den Priestern gehütet und gelenkt. Der Hohepriester fungierte als Vermittler zwischen der Welt der Sterblichen und jener der Götter. Mit Opfergaben, Tanz und Musik sollte der Gott dazu bewegt werden, sich in diesem Tempel nieder zulassen - eine wesentliche Bedingung für die Aufrechterhaltung der kosmischen Ordnung.

In jeder Siedlung bildete der Tempel, neben seiner religiösen Funktion auch als Rathaus, Schule, Bibliothek und Krankenhaus den Mittelpunkt oder das Zentrum. Der Zutritt zum Allerheiligsten, dem Inneren des Tempels, der als Sitz der Macht galt, war den Priestern und dem König vorbehalten. Der oberste Priester, als Vertreter der Götter auf Erden war im alten Ägypten der König. Doch da es fast an jedem Ort einen Tempel gab, delegierte er seine priesterlichen Pflichten an den jeweiligen Hohepriester. Die Priesterwohnungen befanden sich meist in einer kleinen Siedlung, nahe dem Tempel. In Karnak lebten sie neben dem heiligen Tempelsee, einem künstlich angelegten Teich, in dem alle Priester zweimal pro Tag und zweimal pro Nacht badeten, da sie um die Riten ausführen zu können, völlig rein (waab) sein mussten. Deshalb trugen sie auch Kleidung aus Leinen und mussten sich alle 2 Tage sämtliche Körperhaare entfernen lassen. Neben den intimen Tempelritualen, wurden jährlich über 50 öffentliche Feste veranstaltet.

Die Ägypter waren das erste Volk die das Jahr in 365 Tage unterteilten - 360 Tage plus 5 hohe Feiertage, die zu Ehren von Osiris, Isis, Horus, Seth und Nephtys geweiht waren. (Ägyptischer Kalender) Auch das Fest der Göttin Hathor war ein hoher Feiertag, an dem ihre Statue aus dem Schrein bei Dendera geholt wurde, um zur Feier einer guten Ernte mit Tanz und Musik dem Volke präsentiert zu werden. Ein ähnliches Fest bei dem die Göttin von Dendera, zu ihrem Gemahl Horus nach Edfu gebracht wurde, um zwei Wochen mit ihm das Fest "der schönen Begegnung" zu feiern, verlief fast identisch. An solchen Feiertagen versammelten sich alle Einwohner einer Region, um mit den Priestern, in Begleitung von Musikern und Tänzern an dem Fest teilzunehmen und Speisen und Getränke im Übermaß zu konsumieren. Aktiv wurde die Trunkenheit gefördert, da sie als Zeichen der Verehrung für die Götter galt. Eines der größten Feste war das jährliche Opet-Fest in Karnak, das die Stärke des Königs vergrößern und natürlich auch erneuern sollte. Unter dem Jubel des Volkes wurde der Reichsgott Amun von Karnak nach Luxor gebracht, wo sich der König einem geheimen Ritual im innersten Schrein unterzog. Mit neuer Kraft erfüllt zeigte sich der Herrscher am nächsten Morgen, dann seinem begeisterten Volk.

Höchstes Ziel jedes Ägypters war es für immer, in ihrer geliebten Heimat zu leben. Ihre Vorstellung des Paradieses bedeutet einfach die Fortsetzung ihres Lebens auf Erden, wenn auch mit einigen Verbesserungen. Die Schawabtis (magische Figuren die zum Leben erwachen und ihrem Besitzer dienen sollten) würden dann alle körperlichen Arbeiten für sie übernehmen.

O ihr Uschebti,
wenn ich verpflichtet werde, irgendeine Arbeit zu leisten,
die dort im Totenreich geleistet wird -
wenn nämlich ein Mann dort zu seiner Arbeitsleistung verurteilt wird -
dann verpflichte du dich zu dem, was dort getan wird,
um die Felder zu bestellen und die Ufer zu bewässern,
um den Sand des Ostens und des Westens überzufahren.
"Ich will es tun - hier bin ich! sollst du sagen."

(Spruch 6) des Totenbuchs
nachzulesen in "Das Totenbuch der Ägypter" vom Artemis Verlag

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